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Gut besuchter Museumstag mit Überraschung


Kaffee und Kuchen im Kleinen Dachmuseum
Kaffee und Kuchen im Kleinen Dachmuseum

Am Sonntag, den 8.9.2024 öffnete die Kurhessischen Bürgergarde Kirchhain e. V. das Kleine Dachmuseum in der Bahnhofstrasse zum Tag der offenen Türe.


Über 40 Besucher nutzten an diesem Sonntag die Gelegenheit, die umfangreiche Sammlung zur regionalen Heimatgeschichte zu besuchen und sich die neuesten Exponate der Sammlung anzuschauen. Der mächtige Schreibschrank (von 1890) des Bäckermeisters, Gast- und Landwirts Heinrich Prediger stand im Mittelpunkt des Interesses, der zusammen mit zahlreichen anderen Exponaten über diese alte Kirchhainer Gastwirts- und Müllerfamilie informiert.


Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen im Sitzungszimmer des Vereins bot sich Gelegenheit für zahlreiche interessante Gespräche und einige Gäste kamen sogar mit einer kleinen Überraschung vorbei, um die Sammlung mit einem neuen Exponat zu bereichern.


So brachte ein Ehepaar neben einigen Fotos aus Familienbesitz auch einen Stapel Dokumente mit, die aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Da allesamt in altdeutscher Kurrentschrift geschrieben sind, waren sie für die Spender kaum leserlich, doch sie gaben grobe Angaben, wer einst Besitzer dieser Dokumente war.


Pfarrer Wilhelm Lohr (1839-1906)
Pfarrer Wilhelm Lohr (1839-1906)

Bei genauerem Sichten der Unterlagen stellte sich nun heraus, dass sie dem evangelischen Theologen und Pfarrer Wilhelm Lohr zuzuordnen sind. Wilhelm Nikolaus Johannes Lohr wurde 1839 in Kassel geboren studierte in Marburg und war nach seinem Examen 1860 als Hauslehrer tätig. Auf Empfehlung seines Mentors, des berühmten Marburger Professors August Friedrich Christian Vilmar, wurde Lohr ab 1863 Erzieher am kurhessischen Hofe und war für die Erziehung des künftigen Thronerben Prinz Friedrich Wilhelm von Hessen (1854-1888) zuständig. Dieser war der Sohn von Prinzessin Anna von Preußen und Friedrich Wilhelm Georg Adolf von Hessen-Rumpenheim. Lohrs Zögling lebte, wie dessen Vater, aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zum dänischen Königshaus, zunächst in Kopenhagen. Als 1864 der deutsch-dänische Krieg ausbrach, musste Lohr mit seinem Schützling unter abenteuerlichen Umständen aus Dänemark fliehen. Bis 1869 lebte er mit dem Erbprinzen in Dresden, wo dieser das Gymnasium besuchte. Während dieser Zeit heiratete Lohr, und in Dresden wurden seine beiden ersten Kinder geboren. Wöchentlich musste er der Mutter des Erbprinzen Bericht erstatten und so entwickelte sich ein sehr vertrautes Verhältnis zur Landgräfin Anna von Hessen, was durch zahlreiche Briefe und Telegramme aus der Dokumentenspende hervorgeht.


Nach Pfarrstellen in Heiligenrode, Kaufungen und Oberkaufungen wurde Lohr 1887 Generalsuperintendent der niederhessischen-reformierten Kirche. In dieser Funktion hat er maßgeblich zur Entwicklung des Diakonissenmutterhauses und der Entstehung der Behinderteneinrichtung Hephata in Treysa beigetragen.

Neben der von Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) unterschrieben Ernennungsurkunde zum Generalsuperintendenten befindet sich unter den Dokumenten auch ein persönlicher Brief von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) an seine Tante, Landgräfin Anna von Hessen, in dem er ihr mitteilt, dass er Wilhelm Lohr zum Oberhofprediger am Kasseler Hofe ernannt hat (1894):


Brief von Kaisers Wilhelm II. an seine Tante Landgräfin Anna von Hessen
Brief von Kaisers Wilhelm II. an seine Tante Landgräfin Anna von Hessen

Theure Tante! Es gereicht mir zur Freude, Dir auf Deine Zeilen vom 6. September d. Js. mittheilen zu können, daß ich an Stelle des verstorbenen Oberhofpredigers Martin in Cassel den Generalsuperintendenten Lohr zum Oberhofprediger an der dortigen Hofgemeinde ernannt habe. Ich verbleibe in aufrichtiger Zuneigung Dein treuer Neffe Wilhelm. Neues Palais den 16. November 1894. An die Landgräfin Anna von Hessen königliche Hoheit



Diesen Brief hatte die Landgräfin vermutlich Wilhelm Lohr zur Erinnerung geschenkt. Er wird mit den anderen Dokumenten des Nachlasses einen Platz in einer eigenen Vitrine des Kleinen Dachmuseums bekommen, wo über Wilhelm Lohrs bewegtes Leben berichtet wird. Mit zahlreichen Exponaten, wie diesen, ist das Kleine Dachmuseum schon längst mehr als nur ein einfaches Heimatmuseum. Besuche sind nach Absprache (Tel. 06422 2670) kostenlos möglich.



 

Text und Fotos: Harald Pausch

Red. Aufbereitung: Frank Wagner

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