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SVV – Bald auf YouTube?


Heute wurde in einer Ausschusssitzung zu einem für mich besonderen Antrag beraten: Dem Zulassen von Filmaufnahmen während Sitzungen zum Zweck der Veröffentlichung.

Seit ich zum ersten Mal in den Sitzungen der Ausschüsse und Stadtverordnetenversammlungen als Gast saß, trieb mich der Gedanke um, wie man den Bürgerinnen und Bürgern Kommunalpolitik etwas näher bringen kann.

Denn sind wir mal ehrlich: die Handvoll "Öffentlichkeit", die dort zu finden ist, zeugt nun wirklich nicht von großem Bürgerinteresse.

Auch ich bekenne mich dazu, dass ich meinen Hintern in den Jahren vor meinem 40. Lebensjahr kein einziges Mal hochbekommen habe, um an solchen teilzunehmen. Die Gründe dafür waren vielfältig und sind wahrscheinlich auch bei euch ähnliche:

Kein Interesse, keine Zeit, keine Ahnung wann die Sitzungen stattfinden. Dann kommt noch dazu, dass man sich ungern in eine mehrstündige Veranstaltung setzt, bei der man ohnehin kein Rederecht hat oder in der man sich unter 8 Tagesordnungspunkten eigentlich nur für einen TOP interessiert. Und dann liest man in der Zeitung z.B. von Kontroversen in der Stadtverornetenversammlung und wünscht sich im Nachhinein, eventuell doch dabei gewesen zu sein, um aus erster Hand zu wissen, wer denn nun genau was und wie gesagt hat.

Ein weiteres Problem, an Sitzungen trotz Interesse nicht teilnehmen zu können, ergibt sich durch eingeschränkte Mobilität (z.B. bei Senioren oder Menschen aus den Stadtteilen, wenn das einzige Fahrzeug gerade von einem Familienmitglied in Verwendung ist).

Kommunalwahlen sind eigentlich Personenwahlen – aber meist wählen wir doch entweder nur Fraktionslisten oder Personen, die wir kennen (oder dann eben gerade nicht 😁). Aber beurteilen, wie ein Bekannter von uns lokalpolitisch agiert, kann man eben nur, wenn man ihm auch bei seiner Arbeit zuschaut. Seit ich zur "interessierten Öffentlichkeit" im Sitzungssaal gehöre, habe ich einiges über die Mandatsträger und Fraktionen, welche unsere lokalen Geschicke mitlenken, lernen können und ich finde es schade, dass ich diese Erfahrungen nicht adäquat mit euch teilen kann.


 

Nun bin ich ja seit einiger Zeit Lokalblogger...

...also habe ich mir gedacht, dass es doch gut wäre, wenn man die Sitzungen aufzeichnen und euch ungekürzt zu Verfügung stellen könnte.

Neue Medien können helfen, Politik näher an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen und Informationen aus erster Hand zu erhalten. Dies hat man bereits auf Bundes- und Landesebene erkannt. So werden z.B. die Plenarsitzungen des Hessischen Landtags oder viele Kreistagssitzungen oder Stadtverordnetenversammlungen auf YouTube-Kanälen veröffentlicht. Darüber hinaus bietet gerade die audiovisuelle Wiedergabe sehbehinderten Menschen einen Zugang zu den Inhalten – ebenso wie Gehörlosen (aufgrund der Einblendung automatisch generierter Untertitel auf YouTube).

In der "Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse der Stadt Kirchhain“ wird aber derzeit eine audiovisuelle Aufzeichnung noch als Ausnahmefall behandelt und benötigt jedes Mal von jedem Gremiumsmitglied im Vorfeld das Einverständnis.

Zitat: "Tonaufzeichnungen im Sitzungsraum sind grundsätzlich nur als Hilfsmittel der Schriftführung für die Anfertigung der Sitzungsniederschrift erlaubt. Andere Tonaufzeichnungen sowie Foto-, Film- und Fernsehaufnahmen sind von der oder dem Vorsitzenden vor Beginn der Sitzung anzukündigen. Sie sind nur zulässig, wenn keine Stadtverordnete und kein Stadtverordeter wiederspricht."

Bereits seit dem 1.1.2012 hat jedoch der Gesetzgeber in Hessen § 52 HGO (Hessische Gemeindeordnung) um einen Absatz 3 ergänzt, in dem die sog. „Medienöffentlichkeit“ klar gegenüber der „Saalöffentlichkeit“ abgegrenzt und geregelt ist:

Zitat: "Die Hauptsatzung kann bestimmen, dass in öffentlichen Sitzungen Film- und Tonaufnahmen durch die Medien mit dem Ziel der Veröffentlichung zulässig sind."

Jetzt mag man natürlich darüber diskutieren, wo da die Persönlichkeitsrechte unserer Mandatsträger bleiben. Nun.. dazu stellten verschiedene Verwaltungsgerichte in der Vergangenheit folgendes fest:

Gemeindevertreter und Ratsmitglieder, die als solche ein öffentliches Amt angenommen haben, agieren grundsätzlich nicht als Privatpersonen, sondern als Amts- bzw. Mandatsträger. Der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte wird dadurch relativiert und muss in aller Regel hinter den Grundrechten der Informations- und Rundfunkfreiheit zurücktreten (Genauere Infos und Links zu einigen Rechtsprechungen findet ihr am Ende des Beitrags).

 

Was wurde heute Abend diskutiert und beschlossen?

Im Grunde wurde nun mein Vorschlag wie folgt als Antrag eingebracht:

"ANTRAG zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27.11.2017 zuvor: HuF-Ausschuss zur Sitzung am 14.11.2017 (sowie Ältestenrat)

Medienöffentlichkeit bei Stadtverordneten- und Ausschusssitzungen

Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Geschäftsordnung im § 19 (2) wie folgt zu ändern: Foto-, Film- und Tonaufnahmen sind grundsätzlich als Hilfsmittel der Schriftführung für die Anfertigung der Sitzungsniederschrift sowie der Medien mit dem Ziel der Veröffentlichung während öffentlicher Sitzungen erlaubt. In Einzelsituationen kann die oder der Vorsitzende nach Rücksprache mit dem Ältestenrat Aufnahmen untersagen, wenn diese nach seinem Ermessen den geordneten Ablauf der Sitzung übermäßig stören."

Unter den Ausschussmitgliedern herrschte bei den Beratungen heute Abend noch Uneinigkeit darüber, ob denn das Erlauben von Filmaufnahmen per Mehrheitsbeschluss denn rechtlich überhaupt zulässig sei und ob man dadurch nicht die Persönlichkeitsrechte Einzelner verletze. Darüber hinaus wurde eingeworfen, dass eine Videoaufzeichnung nicht die Qualität der "Live-Beobachtung" bieten könne. Was einerseits oft am technischen Equipment liegt (z.B. mangelnde Tonwiedergabe) oder andererseits daran, dass Zwischenrufe aus dem Plenum nicht ausreichend registriert werden können

Um das Thema weiter vertiefen zu können, wurde der Antrag vorerst zur Beratung an den Ältestenrat überwiesen.

D.h.: erst einmal beschäftigt sich der Ältestenrat mit dem Thema, der dann eine Empfehlung ausspricht. Da einige Sitzungen für die Beratungen rund um den kommenden Haushaltsplan "reserviert" sind, wird es also aller Voraussicht nach Februar werden, bis die Stadtverordnetenversammlung darüber beschließt.

 

Was habe ich vor? (Auch ein kleiner Hinweis für unsere Mandatsträger)

Natürlich ist es meine Absicht, zukünftig die Stadtverordnetenversammlungen (SVV) im Rahmen meiner ehrenamtlichen – also für die Stadt kostenlosen – Berichterstattung in voller Länge audiovisuell aufzuzeichnen und ungekürzt auf meinen YouTube-Kanal zu stellen. Tagesordnungspunkte und Rednerbeiträge werden dann mit Zeitsprungmarken versehen und in die Videobeschreibung eingefügt, damit ihr schnell zu den Inhalten gelangt, die euch interessieren.

Bei den SVVs habe ich derzeit die besten Möglichkeiten, dieses Projekt adäquat umzusetzen: Redner stehen am Rednerpult und benutzen Mikros, wodurch ich den Ton direkt über das Saalmischpult aufzeichnen kann. Darüber hinaus kann ich die in meinen Recorder zusätzlichen Mikros nutzen um eventuelle Zwischenrufe dann im Video einzuspielen. Vorerst plane ich, nur den engeren Bereich um das Rednerpult zu zeigen, kann mir aber auch bei entsprechender Resonanz vorstellen, eine zweite Kamera zu installieren, die dann auch das Plenum filmt. Zu dieser Ansicht könnte man dann im Video bei Einwürfen aus dem Saal wechseln.

Ein Live-Stream ist nicht in Planung (und macht meiner Meinung nach in Kirchhain vorerst auch keinen Sinn) – ebenso wie das Filmen der Ausschusssitzungen (da es meinen Zeitrahmen ohnehin sprengen würde).

Mir geht es nicht darum, einzelne Stadtverordnete vorzuführen, sondern darum, möglichst viele Kirchhainern in wichtige lokalpolitische Debatten einzubinden und – wie bereits beschrieben – damit über Entscheidungsprozesse in Kirchhain aufzuklären. Oft gibt man dem Bürgermeister die Schuld an einem Beschluss, der für ihn bindend in der SVV getroffen wurde – oder umgekehrt. Ich möchte dazu beitragen, u.a. solche Missverständnisse zukünftig aufzuklären. Auch soll dieses Projekt dazu führen, dass sich Mandatsträger selbst überprüfen können: War meine Argumentation schlüssig? War ich persönlich beleidigend? Versteht auch ein Außenstehender, was ich sagen wollte oder waren meine Ausführungen missverständlich? All diese und noch mehr Fragen könnten die Mandatsträger mit einer Aufzeichnung für sich beantworten.

Darüber hinaus lernen die Bürger eben unsere Vertreter in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit (das sollte hier auch einmal betont werden) kennen und können dadurch besser einschätzen, wie gut diese für das Mandat geeignet sind.

Ich bin übrigens gerne bereit – bevor etwas fest beschlossen wird – mit den Mandatsträgern einen ersten Testballon zu starten, indem ich eine SVV filme und mal probehalber, so wie später vorgesehen, auf den Kanal stelle.

 

Mein Fazit – eure Meinung

Rein rechtlich gibt es aus meiner Sicht nichts, was gegen einen Beschluss für Filmaufzeichnungen in den Sitzungen spricht, denn das Land Hessen hat dafür rechtliche Voraussetzungen schon 2012 geschaffen. Es hängt nun ganz vom Willen der Stadtverordneten und Amtsträger ab, ob sie sich zu mehr Transparenz bekennen und filmen lassen oder nicht. Doch noch liegt Skepsis in der Luft, die ich gut verstehen kann. Nicht jeder ist für das "Fernsehen" geboren und bestimmt befürchten manche Mandatsträger, dass sie vor der Kamera ein schlechtes Bild abgeben würden. Doch wer die Befürchtung hat, er würde nicht gewählt werden, wenn man ihn bei seiner Arbeit zuschaut , sollte sich vielleicht auch die Frage stellen, ob dann auch ein öffentliches Mandat zu ihm passt.

Ich persönlich baue auf meine Mitbürger und darauf, dass sie Verständnis dafür aufbringen werden, dass unsere Stadtverordneten keine Medienprofis sind und deshalb auch nicht immer von ihrer telegensten Seite zu sehen sein werden, sondern vielmehr auf deren Redeinhalte achten.

Ganz nebenbei erwarte ich aber auch keine überwältigenden Zuschauerzahlen. Doch wenn auch nur ein paar Dutzend Kirchhainer durch das Projekt "Videoprotokoll" mehr aus unserem Parlament erfahren (und zwar möglichst authentisch), ist das meiner Meinung nach ein großer Gewinn für mehr Bürgerbeteiligung in Kirchhain – und allemal mehr wert, als Beratungen hinter Türen, durch die seit vielen Jahren kaum ein Kirchhainer tritt.

Mich interessiert natürlich auch eure Meinung zu dem Thema. Wie seht ihr das? Würdet ihr euch eine Art "Videoprotokoll" von unseren Stadtverordetenversammlungen in Zukunft wünschen? Und falls ja, warum würdet ihr euch z.B. eher eine Aufzeichnung anschauen, anstatt selbst den Sitzungsaal als Zuschauer zu betreten?

Schreibt es in die Kommentare (den Post dazu findet ihr hier auf Facebook) oder schickt mir doch einfach eine E-Mail.

Ich freue mich über eine konstruktive Diskussion!

 

Rechtliche Hintergründe:

Verwaltungsgericht Wiesbaden stellte 1995 folgendes fest:

"[...]Die einzelnen Gemeindevertreter haben hier keinen Anspruch auf besonderen Schutz ihres Persönlichkeitsrechtes: Sie sind in einer Sitzung der Gemeindevertretung öffentlich im Rahmen des ihnen übertragenen Mandats tätig." (Quelle: Handbuch Kommunalpolitik, W. Kohlhammer Verlag, S.48 nach Beschluss des VG Wiesbaden v. 26.10.1995, Az: 3/3 G 1177/95)

Zitat: "[...] Die Ratsmitglieder, die als solche ein öffentliches Amt angenommen haben, um das sie sich zuvor beworben haben, agieren im Rahmen öffentlicher Ratssitzungen grundsätzlich nicht als Privatpersonen, sondern als Amts- bzw. Mandatsträger. Der Schutz der ausschließlich ihrer eigenen Bestimmung unterliegenden Persönlichkeitsrechte wird dadurch relativiert und muss in aller Regel hinter den für eine lebendige Demokratie bedeutsamen Grundrechten der Informations- und Rundfunkfreiheit zurücktreten" [...] Hier gehts zur verständlicheren Kurzfassung

Zitat: "[...] Die Informationsquelle „Sitzungen der Gemeindevertretung“ hat der Landesgesetzgeber in Hessen in §52 HGO geregelt und festgelegt, dass die Gemeindevertretung ihre Beschlüsse in öffentlichen Sitzungen fasst (§ 52 Abs. 1 Satz 1HGO). Öffentliche Sitzungen der Gemeindevertretungen sind damit nach dieser Regelung allgemein zugängliche Informationsquellen und unterfallen dem Schutzbereich der Informationsfreiheit. Privatpersonen und Vertreter der Medien dürfen zusehen, zuhören und haben das Recht, die auf diese Weise aufgenommenen Informationen mit Hilfe der Presse, des Rundfunks oder anderer elektronischer Medien zu verbreiten. [...] da der Gesetzgeber in Hessen seit dem 1. Januar 2012 diese Regelung um einen Absatz 3 ergänzt hat, in welchem er ausdrücklich festlegt, dass die Hauptsatzung bestimmen kann, dass in öffentlichen Sitzungen Film- und Tonaufnahmen durch die Medien mit dem Ziel der Veröffentlichungzulässig sind."

Hier wurde zwar dem Anspruch auf das Filmen widersprochen – der Beschluss beruhte allerdings überwiegend darauf, dass die Gemeindevertretung den §52 HGO, Abs. (3) nicht in ihre Satzung integriert hatte.

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