Kaum beachtete ‚Sehenswürdigkeiten‘ mit viel Geschichte
- 30. Juli
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Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Chronik des Vereins Anzefahr – Mein Dorf e.V. haben eine Dorfbegehung mit Herrn Prof. Dr. Siegfried Becker am Samstag, dem 5. Juli 2025, durchgeführt.

Oftmals gehen wir in unserem Wohnort achtlos an Stein- und Balkeninschriften sowie an Fachwerkgebäuden vorbei, ohne uns Gedanken über die zeitliche Zuordnung und ihre Geschichte zu machen. Dabei sind es oftmals nur Kleinigkeiten, wie eine Jahreszahl oder zwei verschiedene Arten der Fachwerkgestaltung, an denen die geschichtlichen Zusammenhänge deutlich werden, wie Becker den Beteiligten an verschiedenen Objekten erklärte. Er ist Professor am Institut für Europäische Ethnologie und Kulturforschung der Philipps-Universität Marburg und ein ausgewiesener Kenner der volkskundlichen Regionalforschung.
So war es zunächst ein Stein mit Jahreszahl in einem Treppenaufgang. Jedem Betrachter wurde sofort deutlich, dass dieser Stein viel feiner behauen ist und nicht zu den anderen Sandsteinen der Treppe passt. „Es handelt sich hierbei um eine Spolie, d.h. es ist ein Stein der aus einem anderen Bauwerk hier wiederverwendet wurde“ erklärte Prof. Dr. Becker und wies auch auf die Fachwerkbauweise hin. Bei den ältesten Fachwerkgebäuden liegen die Balken niedrig über dem Erdboden. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Kartoffeln angebaut wurden, benötigte man frostfreie Keller, die Häuser wurden unterkellert und mit einer höheren Sandsteinmauer unterbaut.
An einer anderen Stelle ist ein Stein mit der Jahreszahl 1844 zu finden, von dem lediglich bekannt ist, dass er zu dem ehemaligen Gemeindebackhaus gehörte. Diese Information ordnete Becker für die Anwesenden in die Maßnahmen der neuen Kreisverwaltung nach den Stein-Hardenbergischen Reformen von 1821 ein. Mit feuerpolizeilichen Maßnahmen verfolgte die Regierung die Absicht, private Backhäuser aufgrund ihrer Feuergefahr und wegen des hohen Holzverbrauchs abzuschaffen und nur noch Gemeindebackhäuser zu genehmigen. Allen Beteiligten wurde klar, dass dieser unscheinbare Stein uns eigentlich die ganze Geschichte des Nahrungsmittels Brot und seiner Bedeutung für unsere Vorfahren erzählt.

Auf diesem Rundgang wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch deutlich, dass eine aus Stein erbaute Scheune ursprünglich nicht zu einem Tagelöhnerhaus gehörte. „Stein war ein herrschaftlicher Baustoff“ so erklärte Prof. Dr. Becker „und somit hat diese Scheune einmal einem anderen Zweck gedient.“
Die Löwenfiguren am Eingang zur Mühle in Anzefahr sind sehr beeindruckend und der Müller verdeutlichte damit auch jedem, dass er nach der Grundlastenablösung von 1848 nun der Eigentümer war.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Chronik bedankten sich bei Herrn Prof. Dr. Becker für einen sehr kurzweiligen und informativen Rundgang durch ihr Dorf Anzefahr. Durch seine Ausführungen wurde bei den Teilnehmenden das Interesse geweckt, in Zukunft genauer hinzusehen und auch die zeitlichen Zusammenhänge einzuordnen.
Text und Fotos: H.-Chr. Nahrgang
Redaktionelle Aufbereitung: Frank Wagner





