Seit Kurzem hat der Zweckverband Lahn-Ohm auf den Hochwasserdämmen rund um Kirchhain Schilder aufgestellt, die bei der hiesigen Bevölkerung für Verwirrung sorgten. Im folgenden Artikel wird geklärt, was man darf und was nicht.
Die Unklarheiten der letzen Tage haben mich dazu veranlasst mit dem Zweckverband Mitellhessische Wasserwerke Kontakt aufzunehmen und um eine Stellungnahme zu bitten, welche auch promt erfolgte.
Daraus können in aller Kürze folgende Erkenntnisse entnommen werden:
Die Hochwasserdämme sind Betriebsbauwerke. Somit sind die Wege darauf keine öffentlichen Verkehrswege.
Grundsätzlich haben nur Befugte Zutritt zu den Dämmen
Die Schilder rund um Kirchhain wurden nun in Folge eines Verfahrens aufgestellt, dass vor einiger Zeit von der Stadt Gießen gegenüber dem Zweckverband Kleebach eingeleitet wurde.
Die „erzwungene Beschilderung“ in Folge des Verfahrens als Präzedenzfall soll v.a. vor Haftpflichtansprüchen schützen. Nutzer sollen darüber im Klaren sein, dass sie die Anlage auf eigene Gefahr und auf eigenes Risiko betreten.
Der Zweckverband als Hausrechtsinhaber duldet die Nutzung der Dämme durch die Bürger bei vernünftiger und unschädlicher Nutzung.
Hinweise aus der Bevölkerung, die dem Schutz der Anlage dienen, werden weiterhin begrüßt.
Weitere Details können der Stellungnahme entnommen werden:
"[...] in Beantwortung Ihrer Fragen betreffend der neuen Beschilderung überlassen wir Ihnen die auszugsweisen Stellungnahmen, die bereits anderen Nachfragern gegenüber abgegeben wurden im Auftrag des Wasserverbandes Kleebach (siehe nachfolgende Auszüge 1 und 2). Selbiges Vorgehen trifft auf den Wasserverband Lahn-Ohm und damit auf die Ihre Fragestellungen zu.
Auszug Stellungnahme 1:
Der Hochwasserdamm Gießen-Allendorf stellt ein Betriebsbauwerk dar, dessen Nutzung grundsätzlich nur Befugten gestattet ist. So ist dies bei allen Betriebsbauwerken und Betriebswegen, wie sie sich häufig neben Autobahnen und sonstigen Straßen befinden.
Der Hochwasserdamm dient dem Schutz der Ortslage Gießen-Allendorfs und damit den dort Wohnenden. Bei dem Damm handelt es sich nicht um einen mit den Schutzbauwerken an den Meeren vergleichbaren Dämmen. Diese sind nachvollziehbarerweise deutlich massiver ausgebaut und deshalb auch anders nutzbar.
Der hiesige Damm wurde vor fast zwei Jahrzehnten aufgrund des rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlusses errichtet. Dessen Festsetzungen lassen einen öffentlichen Verkehr grundsätzlich nicht zu. Dies hat die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Gießen aufgrund an sie herangetragener Wünsche aufgegriffen und am Ende eines etwa zweijährigen Verfahrens im Einklang mit Regierungspräsidium und Ministerium dem Wasserverband Kleebach aufgegeben zu erklären, ob es sich um einen öffentlichen Verkehrsraum oder einen nichtöffentlichen Raum handelt.
Aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses handelt es sich um einen nichtöffentlichen Raum. Der Betreiber der Anlage verfügt über das Hausrecht. Dieses ist wie bei jedem anderen Grundstückseigentümer ausgestattet. Aufgrund behördlichen Erlasses muss zwingend ein unmissverständlicher Hinweis erfolgen, dass kein öffentlicher Verkehrsraum vorliegt.
Als Befugte sind die Mitarbeiter des Wasserverbandes Kleebach und von diesem Beauftragte anzusehen. Andere grundsätzlich nicht.
In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten haben sorgsame Spaziergänger keinen Anlass gegeben, ihnen etwa Platzverweise zu erteilen. Ganz im Gegenteil haben wir sie eher als „ehrenamtliche“ Dammbeobachter und -schützer ansehen dürfen, die Fehlverhalten anderer oder Mängel gemeldet haben. Diese Bewertung soll auch bis zum Beweis des Gegenteils aufrechterhalten bleiben.
Andere Nutzungen mit Fahrzeugen jeglicher Art lässt die Beschaffenheit des Damms nicht zu.
Umlaufsperren und Beschilderung sind die minimalinvasiven Möglichkeiten zum Schutz des Dammes. Andernfalls wäre eine sehr teure und umfassende Einzäunung des gesamten Dammverlaufes vorzunehmen. Dies kann niemand ernsthaft wollen.
Auszug Stellungnahme 2:
Weit verbreitet ist die Kenntnis der Schutzwirkung von Dünen und Dämmen zum Schutze der Menschen in den Ortslagen dahinter.
Dünen sind in der Regel vor dem Betreten geschützt, Dämme an den Meeresufern hingegen so massiv ausgebaut, dass sie begangen und in der Regel mit Rädern befahren werden dürfen.
Das hier in Rede stehende Dammbauwerk zum Schutze der Menschen in der Ortslage Gießen-Allendorfs wird fachtechnisch zwar auch als „Damm“ betrachtet, entspricht in der hiesigen Binnenlage und in der Bau- und Verdichtungsweise allerdings nicht den „Dämmen“ am Meer. Es stellt für unsere Breiten den bautechnisch gültigen Stand der Technik dar. Die Bauweise lässt es keinen Verkehrsweg im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen geltenden Vorschriften sein, da ausschließlich Hochwässer zurückgehalten werden müssen.
Diese Schutzwirkung geht verloren, wenn unsachgemäße Nutzungen wie etwa öffentlicher Verkehr folgt, weil hierdurch eine Schädigung der Konsistenz des Bauwerkes und damit einhergehend eine Minimierung des Schutzzweckes erfolgen kann.
Deshalb liegt hier gemäß dem seit Jahrzehnten rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss ein Betriebsbauwerk vor, das nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen ist.
Genau dies forderten jedoch Interessenvertreter des Radverkehrs - entgegen den geltenden gesetzlichen Regelungen, sogar darüber hinaus die Beseitigung der ebenfalls von Beginn an und planfeststellungsgemäßen vorhandenen Umlaufsperren - dies nach dem Motto „freie Fahrt für freie Bürger“.
Vor diesem Hintergrund leitete die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Gießen ein Verfahren gegen den Eigentümer, den Wasserverband Kleebach, mit dem Ziel der Beseitigung der Umlaufsperren ein, damit auch Radfahrer völlig ungehindert den Damm benutzen können sollten. Angesichts der heute vielfältigen Art von Fahrrädern, von Mountainbikes über normale Fahrräder bis hin zu E-Bikes nicht vorstellbar.
Der Wasserverband Kleebach wurde von der Stadt Gießen aufgefordert - nach langem streitigen Verfahrensverlauf - zu erklären, dass die Dammkrone entweder ein öffentlicher Weg oder Privateigentum sei. Darum sei der Damm unmissverständlich als solches an allen Zugängen zu kennzeichnen bzw. abzusperren. Dies hätte nach ersten Vorstellungen der Einzäunung des gesamten Geländes bedurft, die Aufwendung von Kosten in Höhe von etwa 200.000 Euro verlangt und wäre wegen des Naturschutzes sicher nicht gewollt und sinnvoll gewesen.
Der Wasserverband Kleebach konnte das Ministerium überzeugen, den bis dahin zugrundeliegenden Erlass vernünftigerweise zu ändern. Dies ermöglichte einen minimalinvasiven Eingriff durch eine entsprechende Beschilderung, wie sie im ganzen Land, z. B. auch bei Betriebswegen in der Nähe von hochfrequentierten Straßen z. B. von Hessenmobil zur Andienung der Verkehrswege üblich sind und genutzt werden.
Die jetzige „erzwungene Beschilderung“ stellt einen Kompromiss dar und dient der rechtlichen Klarheit. Sie erfüllt die Vorgaben des Ministeriums, des Regierungspräsidiums und der lokalen Gießener Verkehrsbehörde.
Sie besitzt unstreitig Vorteile,
wie etwa den Schutz vor Haftpflichtansprüchen, sollte jemand zu Schaden kommen,
wie die Vermeidung von Rückforderungen von sehr hohen Zuschüssen der EU für dieses Bauwerk infolge einer Nutzungsänderung,
sie weist auf Gefahrenlagen hin, wie dies nach der Verurteilung des Neukirchener Bürgermeisters auch unter strafrechtlichen Aspekten erforderlich gewesen ist
und wirkt ähnlich wie bei Baustellen mit „Betreten verboten“-Schildern.
Dem Eigentümer der Fläche, also dem Wasserverband Kleebach, ist das Hausrecht wie jedem anderen Flächeneigentümer oder -besitzer zugewiesen.
Es obliegt ihm und seiner Einschätzung, das Hausrecht gegenüber Dritten in der gebotenen Art, dem gebotenen Maß und der gebotenen Form geltend zu machen.
Dies gilt insbesondere unter bestimmten Notwendigkeiten, insbesondere etwa bei zunehmenden Starkregenereignissen, Unterhaltungsmaßnahmen oder sachwidrigen Verhalten von Passanten. Dann kann und muss der Eigentümer von seinem Hausrecht Gebrauch machen. Einer besonderen Begründung hierzu bedarf dies jedoch nicht.
Bei all der unangemessenen Aufregung einiger weniger soll Folgendes gesagt sein:
Ein Hausrechtsinhaber wird bei vernünftiger und unschädlicher Nutzung seines Eigentums keine Veranlassung sehen, lediglich aus formalen Gründen Dritte von der Nutzung auszuschließen, die sich bewusst sind, auf eigene Gefahr und Haftung den Damm zu begehen und zu schonen - wie dies in der Vergangenheit bisher der Fall und gute Sitte war.
„Befugte“ sind zunächst ausschließlich die Mitarbeiter des Verbandes, Gremienmitglieder in ihrer jeweiligen Funktion und vom Verband Beauftragte.
In den vergangenen Jahren haben sich sorgsame Spazierende quasi als ehrenamtliche Helfer mit Hinweisen auf Schäden und Fehlverhalten erwiesen. Dies hat zum Schutz und Erhalt der Anlage beigetragen. Daher wurden sie in der Vergangenheit als „befugt“ betrachtet. Dabei sollte es auch bis zum Beweis des Gegenteils bleiben.
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